Gesetz
über den Rechnungshof des Freistaates Sachsen
(Rechnungshofgesetz – RHG)
Vom 11. Dezember 1991
Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Dezember 1995
Der Sächsische Landtag hat am 21. November 1991 das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Stellung und Sitz
(1) Der Rechnungshof ist eine unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde.
(2) Der Rechnungshof hat seinen Sitz in Leipzig.
§ 2
Berichterstattung
(1) Der Rechnungshof berichtet jährlich unmittelbar dem Landtag und unterrichtet gleichzeitig die Staatsregierung. 1
(2) Werden dem Präsidenten durch die Tätigkeit des Rechnungshofes Tatsachen bekannt, deren Berichterstattung im öffentlichen Interesse keinen Aufschub duldet, so soll er über diese Tatsachen umgehend den Landtag unterrichten.
§ 3
Gliederung
(1) Der Rechnungshof gliedert sich in Prüfungsabteilungen und in eine Verwaltungsabteilung.
(2) In den. Prüfungsabteilungen sind mehrere Referate zusammengefaßt, den Prüfungsgebieten werden Prüfungskräfte zugeteilt. Das Nähere regelt der Geschäftsverteilungsplan.
§ 4
Mitglieder
(1) Mitglieder des Rechnungshofes sind der Präsident, der Vizepräsident und die Leiter der Prüfungsabteilungen.
(2) Die Mitglieder des Rechnungshofes müssen über eine abgeschlossene Hochschulausbildung und langjährige Berufserfahrung im öffentlichen Dienst verfügen. Der Präsident oder der Vizepräsident und ein Drittel der weiteren Mitglieder müssen die Befähigung zum Richteramt haben.
§ 5
Richterliche Unabhängigkeit
(1) Die Mitglieder des Rechnungshofes sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
(2) Die Vorschriften für Richter auf Lebenszeit über die Dienstaufsicht, die Versetzung in ein anderes Amt, die Versetzung in den Ruhestand, die Entlassung, die Amtsenthebung, die Altersgrenze und die Disziplinarmaßnahmen sind entsprechend anzuwenden.
(3) Für ein förmliches Disziplinarverfahren und für ein Prüfungsverfahren, das ein Mitglied des Rechnungshofes betrifft, sind die Richterdienstgerichte des Freistaates Sachsen nach den für sie geltenden Vorschriften zuständig. Das Antragsrecht zur Einleitung dieser Verfahren übt hinsichtlich des Präsidenten der Präsident des Landtags aus.
§ 6
Ernennung
(1) Der Präsident des Rechnungshofes wird vom Landtag auf Vorschlag des Ministerpräsidenten mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt. Der Ministerpräsident ernennt den Präsidenten des Rechnungshofes.
(2) Der Präsident ist Beamter auf Zeit. Die Amtszeit des Präsidenten beträgt zwölf Jahre; sie endet spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Beamte die gesetzliche Altersgrenze erreicht. Der Präsident tritt nach Ablauf seiner Amtszeit in den Ruhestand. Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen.
(3) Der Vizepräsident wird vom Ministerpräsidenten auf Vorschlag des Präsidenten des Rechnungshofes mit Zustimmung des Landtages ernannt.
(4) Die Leiter der Prüfungsabteilungen werden vom Ministerpräsidenten auf Vorschlag des Präsidenten des Rechnungshofes ernannt. Der Präsident hat das Große Kollegium (§ 10 Abs. 4) vorher zu hören und dessen Stellungnahme dem Vorschlag beizufügen.
(5) Die übrigen Bediensteten des Rechnungshofes werden vom Präsidenten ernannt. Entsprechendes gilt für die Begründung von Arbeitsverhältnissen. 2
§ 7
Präsident
(1) Der Präsident leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang und die Verwaltung des Rechnungshofes. Er vertritt den Rechnungshof nach außen.
(2) Der Präsident, der Vizepräsident und die Leiter der Prüfungsabteilungen verteilen im Einvernehmen vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer die Prüfungsgeschäfte auf die Abteilungen und regeln die Vertretung der Mitglieder. Für die Beschlußfassung gilt § 10 Abs. 1.
(3) Innerhalb des Geschäftsjahres können die Geschäftsverteilung und die Vertretung nur aus zwingenden Gründen geändert werden. 3
§ 8
Vizepräsident
(1) Der Vizepräsident vertritt den Präsidenten. Der Vizepräsident wird von dem nach der Dauer der Mitgliedschaft dienstältesten, bei gleicher Dauer vom lebensältesten Mitglied vertreten.
(2) Der Vizepräsident kann außerdem Befugnisse des Präsidenten ausüben, soweit sie ihm durch diesen übertragen sind.
§ 9
Geschäftsordnung
(1) Der Rechnungshof regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung; sie wird vom Großen Kollegium mit Zweidrittelmehrheit beschlossen.
(2) Die Geschäftsordnung ist dem Landtag und der Staatsregierung mitzuteilen.
§ 10
Kollegialprinzip
(1) Der Rechnungshof entscheidet durch Mehrheitsbeschluß der Mitglieder im Großen Kollegium oder durch übereinstimmenden Beschluß der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Mitglieder im Kleinen Kollegium.
(2) Jedes zuständige Mitglied kann anstelle des übereinstimmenden Beschlusses eine Entscheidung des Großen Kollegiums verlangen. Der Präsident und der Vizepräsident haben dieses Recht auch, wenn sie nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zuständig sind. Den anderen Mitgliedern steht es in Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung zu.
(3) Bei bestimmten Ausgaben, deren Verwendung geheimzuhalten ist, kann der Staatshaushaltsplan festlegen, daß die Prüfung durch den Präsidenten wahrgenommen wird. Der Präsident kann Fachkräfte hinzuziehen.
(4) Das Große Kollegium besteht aus allen Mitgliedern des Rechnungshofes; den Vorsitz führt der Präsident. Es ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
(5) Das Große Kollegium beschließt in wichtigen Angelegenheiten, insbesondere
- a)
- über den Jahresbericht für den Landtag,
- b)
- über Berichte von besonderer Bedeutung für den Landtag und für die Landesregierung,
- c)
- über Vorschläge und Äußerungen zu Rechtsvorschriften, welche die Rechnungsprüfung und deren Organisation regeln,
- d)
- über Angelegenheiten, die ein Kleines Kollegium oder ein Mitglied des Kleinen Kollegiums wegen ihrer allgemeinen oder wesentlichen Bedeutung vorlegt oder wenn, es keinen übereinstimmenden Beschluß fassen kann,
- e)
- in Fällen, in denen ein Kleines Kollegium in einer Rechtsfrage von dem Beschluß eines anderen Kollegiums, das an diesem festhält, oder von einem Beschluß des Großen Kollegiums abweichen will,
- f)
- in den in diesem Gesetz genannten Fällen.
(6) Das Kleine Kollegium besteht aus dem zuständigen Leiter der Prüfungsabteilung und dem zuständigen Präsidenten oder Vizepräsidenten.
(7) Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.
§ 11
Ausschluß wegen Befangenheit
(1) Ein Mitglied oder ein Bediensteter darf nicht tätig werden, wenn Gründe vorliegen, die seine Befangenheit besorgen lassen. Im Zweifelsfall entscheidet das Große Kollegium. Ein betroffenes Mitglied darf an der Entscheidung nicht mitwirken.
(2) Die Mitglieder des Rechnungshofes dürfen nicht bei einer Angelegenheit tätig werden, an der sie selbst oder an der Angehörige im Sinne des § 20 Abs. 5 des Bundesverwaltungsverfahrensgesetzes beteiligt gewesen sind oder für die sie selbst oder für die Angehörige Verantwortung tragen.
§ 12
Beratungsgeheimnis
(1) Die Mitglieder und die Bediensteten dürfen von den durch ihre Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen und Entscheidungen nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gebrauch machen.
(2) Die Mitglieder des Rechnungshofs haben über Beratung und Abstimmung zu schweigen. Das Gleiche gilt für andere Bedienstete des Rechnungshofs, die davon Kenntnis erhalten.
§ 13
Rechnungsprüfungsämter
Zur Vorbereitung, Unterstützung und Ergänzung der Prüfungstätigkeit des Rechnungshofs werden Staatliche Rechnungsprüfungsämter eingerichtet. Sitz und Bezeichnung werden durch Rechtsverordnung der Staatsregierung im Einvernehmen mit dem Rechnungshof bestimmt.
§ 14
Stellung und Aufgaben der Rechnungsprüfungsämter
(1) Die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter sind dem Rechnungshof nachgeordnete Behörden.
(2) Der Rechnungshof weist den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern jeweils für ein Geschäftsjahr Prüfungsaufgaben zu. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung des Rechnungshofs.
(3) Die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter führen ihre Prüfungen nach den Weisungen des Rechnungshofs und nach Maßgabe der Sächsischen Haushaltsordnung durch.
(4) Die Beamten der Staatlichen Rechnungsprüfungsämter werden vom Präsidenten ernannt. Entsprechendes gilt für Begründung von Arbeitsverhältnissen.
§ 15
Übergangsregelung
Für eine Übergangszeit von zehn Jahren kann bei der Bestellung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und von weiteren Mitgliedern von dem Erfordernis der langjährigen Berufserfahrung im öffentlichen Dienst abgewichen werden.
§ 16
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Dresden, den 11. Dezember 1991
Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf
Der Staatsminister der Finanzen
Prof. Dr. Georg Milbradt