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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der Nuklearkriminalität, insbesondere der Nachsorge

Vollzitat: Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der Nuklearkriminalität, insbesondere der Nachsorge vom 8. März 1995 (SächsABl. S. 462), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 2005 (SächsABl. SDr. S. S 758)

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern,
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und
des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung
zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der Nuklearkriminalität, insbesondere der Nachsorge
(VwV Nuklearkriminalität)

Vom 8. März 1995

1.
Grundsätze
 
Der illegale Handel mit radioaktiven Stoffen erfordert im Hinblick auf die Gefahrenabwehr und -beseitigung sowie die Strafverfolgung ein enges Zusammenwirken aller zuständigen Stellen. Es sind daher alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um sowohl hinsichtlich der personellen und materiellen Ausstattung, zum Beispiel mit Meßtechnik und Schutzkleidung, eine Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt möglichst auszuschließen.
2.
Gefahrenabwehr bei unerlaubtem Umgang mit Kernbrennstoffen oder sonstigen radioaktiven Materialien (Nukleare Nachsorge)
2.1
Fälle nuklearer Nachsorge
 
Die Planungen der Gefahrenabwehrmaßnahmen im Freistaat Sachsen sind auf folgende Fälle nuklearer Nachsorge ausgerichtet:
  • Feststellung eines Fehlbestandes an Kernmaterial in einer Kernanlage oder bei einem Transport, der entweder durch Entwendung oder durch Verlust entstanden sein kann,
  • Vorliegen einer Drohung durch
    • Bau und Mißbrauch einer kritischen Anordnung,
    • Bau und Zündung eines nuklearen Sprengkörpers,
    • Freisetzung radioaktiver Stoffe,
  • zufälliges Auffinden radioaktiven Materials oder entsprechender Angebote aus illegalem Import.
2.2
Nachsorgemaßnahmen
 
Nachsorgemaßnahmen haben vor allem das Ziel, aufgefundene radioaktive Materialien so rasch wie möglich in den Besitz der zuständigen Behörden zu bringen, um eine mögliche Gefährdung und Schädigung der Bevölkerung und der Umwelt zu verhindern.
Deshalb geht Gefahrenabwehr der Strafverfolgung vor.
Dieser Grundsatz fordert eine frühzeitige und umfassende Unterrichtung der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde bereits im Vorfeld von Ermittlungen.
Spätestens bei begründetem Verdacht auf das Vorhandensein radioaktiver Stoffe ist die atomrechtliche Aufsichtsbehörde durch die Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden intensiv zu beteiligen.
Bei dem Verdacht einer Straftat ist unverzüglich die zuständige Staatsanwaltschaft zu verständigen.
Eine möglicherweise gegebene konkrete Gefährdung für Menschen durch radioaktive Stoffe darf nicht aus Ermittlungsinteresse bestehen bleiben. Deshalb sind die Gefahrensabwehrmaßnahmen gemeinsam von der Strafverfolgungsbehörde und der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde festzulegen.
3.
Grundsätze des Aufbaus der Nachsorgeorganisation
3.1
Für die Leitung aller erforderlichen Maßnahmen im Freistaat Sachsen und zur Koordinierung aller beteiligten Stellen des Landes wird als Führungseinrichtung das Führungs- und Lagezentrum des Sächsischen Staatsministeriums des Innern genutzt. Das Lagezentrum hat die Verbindung zum gemeinsamen Führungsstab BMI/BMU auf Bundesebene zu gewährleisten.
3.2
Je nach Bedeutung des Nachsorgefalles ist nach Abstimmung zwischen dem Sächsischen Staatsministerium des Innern, dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung und dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz ein gemeinsamer Führungsstab zu bilden, dessen Leitung anlaßbezogen zu bestimmen ist. Im Führungsstab sind die Referate für polizeilichen Einsatz, für atomrechtliche Aufsicht, für Strahlenschutz, für Katastrophenschutz, das Landeskriminalamt, das Landeamt für Umwelt und Geologie sowie ein Vertreter aus dem Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vertreten.
Die Aufgabe des gemeinsamen Führungsstabes liegt vor allem bei der Risiko- und Gefährdungsbewertung, der Entscheidung über Empfehlungen zu geeigneten Maßnahmen und zur technischen Unterstützung durch das Land sowie bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen.
3.3
Aufgaben des Sächsischen Staatsministeriums des Innern sind:
  • Führung der polizeilichen Maßnahmen unter Einbeziehung des Landeskriminalamtes,
  • Koordinierung des Zusammenwirkens zwischen den beteiligten Behörden,
  • rechtzeitige Hinzuziehung von Fachkunde einschließlich Strahlenschutzfachkunde des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung,
  • Informationszentrale vom und zum BMI/BKA.
3.4
Aufgaben des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung sind:
  • Führung der Maßnahmen zur Abwehr radiologischer und nuklearspezifischer Gefahren unter Einbeziehung des Landesamts für Umwelt und Geologie,
  • Einschätzung des radiologischen und nuklearen Gefährdungspotentials,
  • Beratung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zu Fragen Atomsicherheit und Strahlenschutz bei der Vorbereitung und Durchführung von Nachsorgemaßnahmen,
  • Klärung von Fragen des Transportes und der Aufbewahrung von bei Nachsorgemaßnahmen anfallendem Kernmaterial und sonstigen radioaktiven Stoffen,
 
 
a)
Kernmaterial:
Staatliche Verwahrung durch den Bund
 
 
b)
Sonstige radioaktive Stoffe:
Zwischenlagerung in der jeweiligen Landessammelstelle bis zur Endlagerung
 
  • Vorhalten von Personal mit Strahlenschutzfachkunde,
  • Vorhalten von Strahlenschutzmeßtechnik,
  • Vorhalten sonstiger Strahlenschutzausrüstung beim Landesamt für Umwelt und Geologie zur Abwehr radiologischer bzw. nuklearspezifischer Gefahren,
  • Beratung bei der Anschaffung von Technik für den Eigenschutz der Einsatzkräfte des Sächsischen Staatsministeriums des Innern/Landeskriminalamt.
3.5
Gemeinsam vom Sächsischen Staatsministerium des Innern, Sächsischen Staatsministerium der Justiz und Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung zu bearbeitende Aufgaben sind:
  • Erarbeitung von Einsatzplänen für denkbare Standardfälle der nuklearen Nachsorge,
  • Auswertung von Nachsorgefällen in anderen Bundesländern,
  • Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Nachsorge“ beim BMU,
  • Planung, Vorbereitung und Durchführung von Übungen zur nuklearen Nachsorge.
3.6
Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit folgender Stellen zu koordinieren:
  • Lagezentrum Sächsisches Staatsministerium des Innern,
  • Gefahrenabwehrbehörden,
  • Staatsanwaltschaften,
  • Polizeibehörden,
  • Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung und Landesamt für Umwelt und Geologie,
  • Rettungsdienste,
  • Feuerwehr,
  • Bundesgrenzschutz,
  • Zollbehörden,
  • Luftfahrtbundesamt,
  • Gewerbeaufsichtsämter,
  • Landkreise oder Kreisfreie Städte als untere Katastrophenschutzbehörden,
  • Sonstige Stellen (zum Beispiel Universitäten, Privatfirmen mit Umgangsgenehmigungen für radioaktive Stoffe).
4.
Maßnahmen
4.1
Ist nicht völlig auszuschließen, daß es sich zum Beispiel beim Auffinden unbekannter Stoffe um radioaktives Material handeln könnte, hat die Polizei oder die Feuerwehr nur Verifikation und aus Gründen der Eigensicherung lediglich die hierzu erforderlichen meßtechnischen Maßnahmen mit Hilfe eines Gammadosisleistungsmeßgerätes und eines Kontaminationsmonitors durchzuführen. Wird dabei Material als radioaktiv erkannt, sind nachfolgend die Maßnahmen nach Nummer 4.2 und 4.3 sofort durchzuführen und die unter Nummer 3 aufgeführten Informations- und Meldepflichten wahrzunehmen.
4.2
Polizei und Feuerwehr haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit vor dem Eintreffen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde am Ereignisort die unaufschiebbaren Maßnahmen durchzuführen. Diese Maßnahmen beschränken sich vornehmlich auf die Rettung gefährdeter Personen, Absperrung, Räumung und Verhinderung einer wesentlichen Schadensausweitung.
Bis zur Feststellung der lückenlosen Absperrung des Raumes aufgrund von Messung der Ortsdosisleistung haben die Polizei, die Feuerwehr oder die Strahlenschutzbehörde eine vorläufige Absperrlinie außerhalb des Gefahrenbereiches festzulegen. Mindestens ist ein Raum mit einem Halbmesser von 25 Metern um die Fund- beziehungsweise Unfallstelle freizuhalten.
Mit dem Eintreffen vor Ort übernimmt die atomrechtliche Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Untersuchung, Bewertung und Bergung der radioaktiven Materialien die Leitung. Andere Behörden leisten Amtshilfe.
Es sind nur solche Maßnahmen im Bereich der Fund- oder Unfallstelle durchzuführen, die die höchstzulässige Strahlenexposition nach Nummer 5 nicht überschreiten.
In Absprache mit der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde sind unaufschiebbare Maßnahmen zur Aufklärung und Warnung der Bevölkerung über Rundfunk, Fernsehen und Presse über die zuständige Innenbehörde zu veranlassen.
4.3
Durch die atomrechtliche Aufsichtsbehörde wird entschieden, ob Kontaminationsmessungen an Personen vorzunehmen und gegebenenfalls Dekontaminationsmaßnahmen durchzuführen sind. Um Kontaminationen nicht zu verschleppen, sind gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu veranlassen. Die Polizei sichert die Durchsetzung entsprechender Anordnungen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde.
Über den Einsatz von Meßtechnik zum Wiederauffinden verlorengegangener radioaktiver Materialien oder zur Feststellung eventueller Kontaminationen und der Ortsdosisleistung am Ereignisort entscheidet die Strahlenschutzbehörde. Soweit erforderlich, zieht sie weiteres Fachpersonal einschließlich Meßfahrzeug hinzu, bei Bedarf auch Fachpersonal anderer geeigneter sachkundiger Stellen.
Ist eine unzulässige Kontamination eingetreten, sorgt die Strahlenschutzbehörde für die Entsorgung des kontaminierten Materials.
Die Strahlenschutzbehörde entscheidet, ob aufgrund der Umstände des Einzelfalles die untere Katastrophenschutzbehörde informiert werden muß.
Über die Rückgabe des radioaktiven Stoffes an den Eigentümer oder die ordnungsgemäße Einziehung und Abgabe an die Landessammelstelle für radioakive Abfälle oder eine andere geeignete Stelle entscheidet die atomrechtliche Aufsichtsbehörde, erforderlichenfalls im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft.
Der Transport der radioaktiven Materialien erfolgt im Rahmen der Sicherstellung im hoheitlichen Auftrag. Eine atomrechtliche Transportgenehmigung ist deshalb nicht erforderlich. Die Sicherheitsvorschriften sind einzuhalten. Es ist auch möglich, einen Transport nach § 19 Abs. 3 AtG anzuordnen.
5.
Strahlenexposition
 
Folgende Richtwerte, die den Grenzwerten der Strahlenschutzverordnung für die Strahlenschutzexposition entsprechen, gelten als maximal zulässige Körperdosen für Arbeiten vor Ort:
5.1
Normaler Einsatz

Normaler Einsatz
Personengruppe Grenzwert Einheit
für beruflich nicht strahlenexponierte Personen, soweit nicht für besondere Berufsgruppen besondere Bestimmungen gelten 5 mSv pro Person und Einsatz,
aber nicht mehr als 5 mSv pro Jahr

5.2
Zwingender Einsatz

Normaler Einsatz
Art des Einsatzes Grenzwert Einheit
zur Rettung von gefährdeten Personen oder zur Verhinderung einer wesentlichen Schadensausweitung 100 mSv pro Person für einen Einsatz

5.3
Eine geplante Überschreitung des letztgenannten Grenzwertes darf nur zur Rettung von Menschenleben in Kauf genommen werden.
Über die Strahlenexposition der am Einsatz beteiligten Personen sind Aufzeichnungen zu führen.
Bei Verdacht der Inkorporation radioaktiver Materialien leitet die Strahlenschutzbehörde die notwendigen Maßnahmen ein, zum Beispiel Inkorporationsmessungen, Hinzuziehen von Fachärzten.
6.
Maßnahmen zur Eigensicherung ergeben sich aus dem Handbuch „Nuklearspezifische Gefahrenabwehr“.
 
Darüber hinaus sind für die Polizei die Dienstvorschriften a)  LF 371 „Eigensicherung im Polizeidienst“
b)  LF 450 „ABC-Wesen der Polizei“
zur Eigensicherung zu beachten.
7.
Diese Verwaltungsvorschrift tritt mit Wirkung vom 20. März 1995 in Kraft.

Dresden, den 8. März 1995

Sächsisches Staatsministerium des Innern
Abt. 3 – Landespolizeipräsidium –
Herzberg
Landespolizeipräsident

Sächsisches Staatsministerium
für Umwelt und Landesentwicklung
Abt. 4 – Luft, Lärm, Strahlen –
Dr. Staupe
Ministerialdirigent

Sächsisches Staatsministerium der Justiz
Dr. W. Sprenger
Ministerialdirigent

 

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 1995 Nr. 18, S. 462
    Fsn-Nr.: 34-V95.2

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 20. März 1998

    Fassung gültig bis: 31. Dezember 2007